Dr. Alexander Herzog
Das Fatigue-Syndrom bei Krebs, insbesondere nach onkologischen Therapiever¬fahren wie Chemotherapie oder Bestrahlung wird sowohl in der wissenschaftlichen Literatur, als auch in der klinischen Praxis viel zu wenig beachtet, obwohl es für Patienten eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität bedeutet. Dabei ist bei mehr als 300 Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr das Fatigue-Syndrom ein bedeutendes sozialpolitisches Problem, denn in vielen Fällen wird die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit durch das Fatigue-Syndrom behindert oder unmöglich gemacht.
Unter Fatigue-Syndrom versteht man einen Symptomkomplex aus Schwäche und Müdigkeit mit Einschränkung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Als Ursachen werden vermutet krankheits- und therapiebedingte Fehlernährung bei gleichzeitig erhöhtem Energiebedarf, Muskelproteinabbau, Anämie durch therapiebedingte Knochenmarksschwäche, aber auch krankheitsbedingte Immobilität und Trainingsverlust. Studien beim Mamma-Ca. konnten zeigen, dass noch ein Jahr nach adjuvanter Chemotherapie bei einem Teil der sonst gesunden Patientinnen ein erhebliches Leistungsdefizit besteht.
Für Patienten sind die Fatigue-Symptome häufig sogar beeinträchtigender als Schmerzen. Manchmal werden selbst einfachste Verrichtungen im Alltag zum Problem.
Therapeutisch werden Stimulanzien wie Amphetaminderivate gelegentlich ange¬boten; diese Substanzen haben jedoch Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, zentralnervöse Störungen bis hin zu Halluzinationen.
Häufig wird das Fatigue-Syndrom nicht als solches erkannt und auch nicht entsprechend ernst genommen. Therapeutisch sinnvoll ist bereits die Prävention mit einem angepassten körperlichen Trainingsprogramm. Bei bereits eingetretener Symptomatik hilft ein abgestuftes Trainingsprogramm beginnend mit Gymnastischen Übungen und übergehend auf ein moderates Ausdauertraining (z. B. Walking, Radfahren, Schwimmen u. a.).
Parallel dazu haben sich biologisch-naturheilkundliche Therapieverfahren bewährt, z. B. die Gabe von standardisierten Thymuspeptiden, der Einsatz intravenöser hochdosierter Antioxidantien, allgemein supportive Therapien wie Sauerstoff-Mehrschritttherapie und Ozontherapie.
Eine wichtige Bedeutung haben ausleitende Verfahren, da toxische Metaboliten der Chemotherapie oft auch nach Abklingen der zytostatischen Wirkung Probleme bereiten können. In diesen Fällen kommen Colon-Hydro-Therapie, sowie Phytotherapie mit z. B. Goldrutenextrakten u. a. in Betracht.
In der Regel besteht längerfristig Arbeitsunfähigkeit; mit den Arbeitgebern der Patienten muss ein Modell einer Stufenweisen Wiedereingliederung in das Arbeitsleben vereinbart werden, da Patienten sonst rasch mit Überforderung reagieren können.
Insgesamt ist bei rechtzeitiger Erkennung und gezielter Therapie das Fatigue-Syndrom bei Tumorpatienten behandelbar und hat eine günstige Prognose. Allerdings treten nachhaltige Besserungen oft erst nach Monaten ein.